Kreis genehmigt die Prinzenpropeller nun doch

Schö­ne neue Welt.

Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Müns­ter die lässt Rechts­auf­fas­sung der Bezirks­re­gie­rung und des Krei­ses Lip­pe nicht gel­ten. Aus rein for­ma­len Grün­den und nach reich­lich juris­ti­scher Fin­ger­ha­ke­lei gilt daher am Ende im Ergeb­nis: Eigen­nutz geht vor Gemein­nutz. Eine Kata­stro­phe für Natur- und Landschaftsschutz.

Wie der Pivit vor vier Wochen schon schrieb: »Für ein all­ge­mei­nes Auf­at­men ist es zu früh. Auch die­ser Bescheid vom Hid­de­ser Berg kann selbst­re­dend beklagt wer­den.« Nun hat der Kreis Lip­pe heu­te nach­mit­tag die Bom­be plat­zen las­sen. Um Scha­dens­er­satz­an­sprü­che in Höhe eines zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trags abzu­wen­den, wird der Kreis Lip­pe die sie­ben auf der Gau­se­kö­te geplan­ten Wind­kraft­an­la­gen nun doch kurz­fris­tig genehmigen.

Das müs­se er tun, teil­te der Kreis heu­te nach­mit­tag mit. Die Ent­schei­dung sei das Ergeb­nis eines Erör­te­rungs­ter­mins vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Müns­ter. Das sei in der Sache »über­ra­schen­der Wei­se« (sic!) ande­rer recht­li­cher Auf­fas­sung als der Kreis Lip­pe und die Bezirks­re­gie­rung Det­mold. Nicht die ers­te wind­kraft­freund­li­che Vor­ga­be aus Münster.

Die Ent­schei­dung des Krei­ses Lip­pe, die Anla­gen nun doch zu geneh­mi­gen, ist dem Kreis zufol­ge in direk­tem Zusam­men­hang mit der am Mon­tag beschlos­se­nen Ände­rung des Regio­nal­plans zu sehen. Denn die­se regelt in Zukunft wesent­lich kla­rer als zuvor, unter wel­chen Bedin­gun­gen Wind­rä­der bei­spiels­wei­se in Wald­ge­bie­ten gebaut wer­den dür­fen. Legt man die­se Vor­ga­ben zugrun­de, könn­ten die Wind­rä­der auf der Gau­se­kö­te nicht mehr gebaut werden. 

Aller­dings tre­te die besag­te Ände­rung des Regio­nal­plans erst in eini­gen Tagen in Kraft – noch gel­ten die „alten“ Vor­ga­ben. Und die beur­teilt das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Müns­ter anders als der Kreis Lip­pe und die Bezirks­re­gie­rung Det­mold – das wur­de bei dem Erör­te­rungs­ter­min mehr als deut­lich. So wür­de sich aus Sicht der Rich­ter die Ableh­nung als rechts­wid­rig erwei­sen. Im Umkehr­schluss gel­te: Der Kreis muss die Anla­gen geneh­mi­gen. Die Krux: Wür­de der Kreis Lip­pe jetzt nicht vor Inkraft­tre­ten des neu­en Regio­nal­plans die Geneh­mi­gung ertei­len, kämen nach sei­ner Ein­schät­zung immense Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen auf ihn zu.

»Völlig schwammige, teils widersprüchliche und sich seit Mitte vergangenen Jahres ständig ändernde Vorgaben von Land und Bund«

„Die Auf­fas­sung des Gerichts über­rascht schon sehr. Wir waren der Über­zeu­gung, dass auch die der­zeit gül­ti­ge Regio­nal­pla­nung Basis dafür ist, den not­wen­di­gen Aus­bau der Wind­kraft zu steu­ern und Wild­wuchs von Anla­gen zu ver­hin­dern.«, erklärt Land­rat Axel Leh­mann. »Die OVG-Auf­fas­sung ist aber das bedau­er­li­che Ergeb­nis völ­lig schwam­mi­ger, teils wider­sprüch­li­cher und sich seit Mit­te ver­gan­ge­nen Jah­res stän­dig ändern­der Vor­ga­ben von Land und Bund. Auf deren Grund­la­ge eine Ent­schei­dung zu tref­fen, die auch das OVG in sei­ner Rechts­auf­fas­sung teilt, ist für mei­ne Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter nahe­zu unmög­lich gewor­den. Das wird an die­sem Bei­spiel lei­der wie­der ein­mal deutlich.“

„Wir brau­chen drin­gend eine Reform des Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Geset­zes, das zur­zeit Wind­kraft­pro­jek­ten eine so hohe Prio­ri­tät gibt, dass eine Regu­lie­rung des Aus­baus nahe­zu unmög­lich scheint“, stellt Leh­mann klar. „Ein ‚wei­ter so‘ trägt jeden­falls nicht zur Akzep­tanz der Bevöl­ke­rung in Sachen Wind­kraft bei“, ergänzt Ute Röder, zustän­di­ge Ver­wal­tungs­vor­stän­din beim Kreis Lippe.

Land­rat Axel Lehmann.

Der Kreis Lip­pe hat­te vor knapp vier Wochen die Indus­trie­wind­an­la­gen auf der Gau­se­kö­te abge­lehnt. Eine Ent­schei­dung war laut Kreis damals zwin­gend not­wen­dig und konn­te aus recht­li­chen Grün­den nicht spä­ter getrof­fen wer­den. Der Kreis Lip­pe hat­te die Ableh­nung damit begrün­det, dass eine Inan­spruch­nah­me von Wald­be­rei­chen für den Aus­bau der Wind­ener­gie nur im Rah­men der kom­mu­na­len Bau­leit­pla­nung zuläs­sig sei. 

Für die bean­trag­ten Stand­or­te – in Det­mold, Schlan­gen und Horn-Bad Mein­berg – gibt es jedoch kei­ne kom­mu­na­len Bau­leit­pla­nun­gen, die eine Wind­ener­gie­nut­zung im Wald vor­se­hen. Somit wür­den die Anla­gen den Zie­len der Raum­ord­nung wider­spre­chen, wie sie im Regio­nal­plan OWL von 2024 (noch) vor­ge­se­hen sind. Die­ser Auf­fas­sung war nicht nur der Kreis Lip­pe, son­dern ins­be­son­de­re auch die Regio­nal­pla­nungs­be­hör­de der Bezirks­re­gie­rung Det­mold, die dies dem Kreis Lip­pe im Janu­ar 2025 in einer Stel­lung­nah­me mit­ge­teilt hatte.

Bereits vor der Ableh­nung der Wind­rä­der vor rund vier Wochen hat­te der Antrags­stel­ler beim Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Müns­ter meh­re­re Ver­fah­ren in Gang gesetzt, um eine posi­ti­ve Ent­schei­dung zu sei­nen Guns­ten zu bekom­men. Eins die­ser Ver­fah­ren war zwar im Febru­ar ein­ge­stellt wor­den. Im Zuge eines ande­ren Ver­fah­rens hat­te das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt aber nun kurz­fris­tig einen Erör­te­rungs­ter­min anbe­raumt. Und dabei hat­te der Rich­ter unmiss­ver­ständ­lich deut­lich gemacht, dass der Ableh­nungs­be­scheid aus sei­ner Sicht rechts­wid­rig sei, der Antrags­stel­ler Recht bekom­men wür­de und eine Geneh­mi­gung erteilt wer­den müsse.

Auf­grund die­ser gegen­tei­li­gen Auf­fas­sung des Gerichts muss der Kreis Lip­pe nun schnell han­deln und wird die Anla­gen daher kurz­fris­tig geneh­mi­gen. Wür­de er das nicht tun, trä­te in der Zwi­schen­zeit die oben erwähn­te Ände­rung des Regio­nal­plans in Kraft – und die Wind­rä­der auf der Gau­se­kö­te könn­ten nicht mehr gebaut werden. 

In die­sem Fall wür­den aber, so die Kreis­ver­wal­tung, Scha­dens­er­satz­an­sprü­che durch die Antrag­stel­ler in Höhe eines zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trags auf­grund ent­gan­ge­nen Gewinns auf den Kreis Lip­pe und sei­ne Kom­mu­nen zuge­kom­men, was unbe­dingt ver­hin­dert wer­den müs­se. Denn die Sum­me wür­de sich auch bei der Kreis­um­la­ge bemerk­bar machen.

Ob es nun Kla­gen gegen die Geneh­mi­gung geben wird, blei­be abzuwarten.

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