Tja, Openbook. Das neue Netzwerk, das vieles anders und alles besser machen will.
Ob das gelingen wird? Offen gesagt – ich weiß es nicht. Aber bei mir wachsen die Zweifel.
Da wären zum einen die weiter bestehenden technischen Unzulänglichkeiten bzw. fehlenden Features. Okay, Openbook[1]Schon zweimal umbenannt, heißt mittlerweile Okuna. ist noch Alpha, aber man wüsste schon gerne, wann das Netzwerk erwachsen zu werden und zum Beispiel die Mindestanforderungen für Fotografen – technisch und inhaltlich – zu erfüllen gedenkt.

Mehr Sorgen machen mir aber andere Dinge. Manche mögen sich über die rege deutsche Beteiligung an Openbook freuen. Ich sehe das nicht so, sorry. Offensichtlich ist es so, dass Openbook derzeit von den verwaisten deutschen Google+-Nutzern okkupiert wird. Und die üben nicht wenig Druck aus, um das Netzwerk nach dem Vorbild ihrer alten Online-Heimat zu gestalten. Das hat der Vater von Openbook, Joel Hernandez, mir gegenüber selbst eingeräumt.
Wer Google+ mochte, den stört das selbstredend nicht. Mich schon.
Aber unabhängig von meinen persönlichen Vorlieben – es bleibt festzuhalten, dass Google+ bewiesen hat, dass es überflüssig ist. Es ist gescheitert. Punkt. Manche sprechen gar vom »armseligen Ende einer Totgeburt« oder der »digitalen Geisterstadt«. Und nun soll Openbook der Wiedergänger eines der vielen irrelevanten Google-Zombies werden? Ernsthaft?
Auf Openbook machen schon jetzt einige da weiter, wo sie bei Google+aufgehört haben. Langjährig gepflegte Feindschaften inklusive. Ich finde, sowas braucht kein Mensch. Da werden einfach die alten Circles etabliert. Und wer nicht dazu gehört(e), hat Pech gehabt. Oder soll sich halt »hocharbeiten«, wie ein Ex-Plusser meinte.
Nix für ungut, aber ich muss mich nirgendwo (mehr) hocharbeiten.
Darüber hinaus bedrohen die vielen deutschen Google+-Okkupanten die erklärte Offenheit – Openness – des Netzwerks. Ich könnte gut verstehen, wenn sich etliche Briten, Amerikaner, Franzosen, Belgier (…) nicht mehr ganz so wohl fühlen, wenn an jeder Ecke Deutsch gesprochen wird. Ob eine Maschinenübersetzung da wirklich die Lösung ist? Wohl kaum.
Und muss beispielsweise ein frischer deutscher Nutzer wirklich gleich als erstes einen Norweger vor versammelter Mannschaft als mutmaßlichen Spammer denunzieren, bloß weil der vielen Leuten folgt? Ich finde nicht.
In meiner Wahrnehmung widerspricht die deutsche Überrepräsentation dem erklärten Ziel der Vielfalt. Ich jedenfalls bin nicht Mitglied bei Openbook geworden, um mich bald darauf bei »Google+ Reloaded DE« wiederzufinden. Ich mag es international, bunt und vielfältig.
Bisher war das wachsende Unbehagen nur ein subjektiver Eindruck, den ich zunehmend gewonnen habe. Fast nur ein Bauchgefühl. Dann habe ich die Tage mal im Openbook-Forum bei Slack nach der regionalen Verteilung der User gefragt. Und die Anwort von Joel war sehr vielsagend. Zwar basieren die Werte nur auf den Zahlen der Android-Nutzer (für iOS gab es keine), aber sie sprechen eine deutliche Sprache. Dass sehr viele deutsche Openbook-Nutzer der ersten Stunden G+-Waisen sind, die bei Pluspora zum Beispiel überwintert haben, bis Openbook an den Start ging, wird im täglichen Betrieb offenkundig.
In der Woche unmittelbar vor dem Stand, den die Grafik oben wiederspiegelt, lag die Quote der deutschen Nutzer sogar noch weit höher – bei fast 60 Prozent. Die Marschrichtung ist also sonnenklar.
Wenn niemand außer mir das als Problem ansieht, so sei es. Aber in dem Fall wird Openbook leider nicht die virtuelle Heimat werden, auf die ich gehofft hatte.
Anmerkungen
↑1 | Schon zweimal umbenannt, heißt mittlerweile Okuna. |
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