
»Die radikale Wissenschaftsfeindlichkeit, die zynische Ausbeutung sozialer Unsicherheit, die populistische Mobilisierung und die Bereitschaft zu Ressentiment und Gewalt werden bleiben. Es wird sicher wieder von Élite gesprochen werden, und vermutlich werden es dann nicht die Juden und die Kosmopoliten, nicht die Feministinnen und die Virologinnen sein, vor denen gewarnt wird, sondern die Klimaforscherinnen.«
Carolin Emcke
War das ein intellektuelles Momentsversagen? Oder hat das doch Methode? Bei jemand wie Carolin Emcke darf man unterstellen, dass sie jedes Wort abwägt und ganz genau weiß, was sie sagt. Auch und gerade, wenn sie bei einem Grünen-Parteitag auftritt.
Und sie hat nicht realisiert, dass dies genau dieselbe absurde Attitude mancher Querdenker und Coronaleugner widerspiegelt, die sich schäbig als Opfer in der Tradition von Sophie Scholl gerieren und ihrem Verfolgungswahn Ausdruck verleihen, indem sie sich Judensterne anpappen? Jana aus Kassel lässt grüßen.[1]Ich halte ja viel von dem Grundsatz, einen unbeteiligten Dritten (das ist ein generisches Maskulinum) den Text (das auch) gegenlesen zu lassen und allfällige Hinweise dankbar anzunehmen.
Cem Özdemir hat sich von dem Vergleich distanziert. Auf Twitter schrieb er, unsere Demokratie sei von vielen Seiten bedroht. Das habe Emcke deutlich gemacht in ihrer Rede. Gleichzeitig kritisierte er aber: „Vergleiche mit dem Hass, dem Menschen jüdischen Glaubens ausgesetzt sind, sind nicht angemessen.“
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hingegen schrieb nach der Rede öffentlich: „Danke an Carolin Emcke für eine große Rede für Aufklärung, für Wahrheit, die zumutbar ist, für die Wirklichkeit.«

Also: Feministinnen, Virologinnen und Klimaforscherinnen erleben angeblich oder werden es erleben, was Juden in Deutschland erdulden mussten..? Ernsthaft? Und das in einer Rede, in der es vornehmlich um Redlichkeit und Wahrhaftigkeit und »eine neue Aufklärung« ging. Neu allerdings ist die Taktik nicht.
Das darf man mindestens extrem irritierend finden. Hören diese unsäglichen, zynischen Vergleiche, mit denen das Menschheitsverbrechen des Holocaust *immer* relativiert wird, denn nie auf?
Es gibt Anlass, bestürzt zu sein.
Anmerkungen
↑1 | Ich halte ja viel von dem Grundsatz, einen unbeteiligten Dritten (das ist ein generisches Maskulinum) den Text (das auch) gegenlesen zu lassen und allfällige Hinweise dankbar anzunehmen. |
---|