
Nanos gigantum humeris insidentes
Bernhard von Chartres, ~1120
Journalisten, wie er einer ist, gibt es nicht mehr. Gerd Ruge ist eine Klasse für sich, ein Vorbild in seiner fachlichen Genauigkeit, in seiner gänzlich uneitlen Präsentation der Fakten. Seine Reportagen sind legendär, ebenso seine unbändige Lust auf die Welt und seine Resilienz. Er hat sich nie geschont. Mit über 70, wenn andere kaum noch das Sofa verlassen, reiste er noch durch Gegenden, in denen »Reisen« heißt, sich in einem Geländewagen tagelang auf miesen Buckelpisten auf gefährlichen Touren durch Unruhe- oder Kriegsgebiete durchrütteln zu lassen.
Mit Klaus Bölling, Felix Rexhausen und Carola Stern hatte Ruge das Magazin »Weltspiegel« ins Leben gerufen. Mit ihm und auch Winfried Scharlau verbinde ich meine frühesten Erinnerungen an das, was man früher Journalismus nannte. Als Dreikäsehoch saß ich vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher und verfolgte sonntags das Weltgeschehen – was damals oft »Krieg« bedeutete.
Heute muss Gerd Ruge erleben, wie die neue ARD-Programmdirektorin Christine Strobl gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Florian Hager und dem ARD-Chefredakteur Oliver Köhr am angestammten Sendeplatz des Magazins sägt, wichtige Bestandteile schlachten und es auf einem Hospizplatz am späten Montagabend verstecken will.
Das muss einem Vollblutreporter wie Gerd Ruge doppelt weh tun.
Aber nicht heute. Da darf und wird er, wie ich hoffe, anständig feiern. Den 93. Geburtstag.
Alles Gute, Gerd!