Behördenversagen und die »verheerende Beurteilung« durch das OVG Münster

Nach dem der Kreis Lip­pe in vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam – und offen­bar auch auf Druck ein­zel­ner Kom­mu­nen in Lip­pe – Indus­trie­wind­an­la­gen auf der Gau­se­kö­te plötz­lich doch geneh­migt, obwohl er sie vor vier Wochen noch abge­lehnt hat­te, ist die Empö­rung in wei­ten Tei­len der Bevöl­ke­rung und der Poli­tik groß. Über den Kreis Lip­pe, über das »Fürs­ten­haus«, über die Bezirks­re­gie­rung Det­mold, aber vor allem auch über die Rechts­auf­fas­sung des OVG Müns­ter, die bei einem Erör­te­rungs­ter­min ver­tre­ten wurde.

Gegen­über über dem Pivit hat sich jetzt der Vor­sit­zen­de des För­der­ver­eins der Adler­war­te Ber­le­beck unmiss­ver­ständ­lich geäu­ßert. Klaus Han­sen, Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter der CDU und frü­he­rer Chef der Adler­war­te, sagt: »Ich bin ein­fach nur ent­setzt und, wie vie­le Men­schen aus der Regi­on auch, zutiefst ent­täuscht über die rea­li­täts­frem­de Beur­tei­lung eines ohne­hin ver­wor­re­nen Sach­ver­halts durch unse­re Jus­tiz. Die Ent­schei­dung des OVG Müns­ter, auf der Gau­se­kö­te Wind­kraft­an­la­gen zu geneh­mi­gen, ist für Lip­pe ver­hee­rend, weil sie grund­los zu einer wei­ter­ge­hen­den Zer­stö­rung der ein­ma­li­gen Schön­heit an der Gau­se­kö­te, ein­schließ­lich Her­manns­denk­mal, Extern­stei­ne und Umge­bung füh­ren wird.«

Es gäbe genügend andere ausgewiesene Flächen in OWL

Grund­los sei das Vor­ge­hen des­halb, »weil wir genü­gend aus­ge­wie­se­ne Flä­chen in OWL haben, die für Wind­kraft­an­la­gen vor­ge­se­hen sind und die kei­nen Wald, kei­ne Natur und kei­ne Lebens­grund­la­ge für Fau­na und Flo­ra mut­wil­lig zer­stö­ren.« Han­sen erklärt, er sei »zutiefst ent­setzt, dass durch Rechts­aus­le­gung des 22. Senats des OVG Müns­ter der gewoll­ten Zer­stö­rung der Gau­se­kö­te Tür und Tor geöff­net wird. Juris­tisch wird die Sache, mit Hil­fe von frag­wür­di­gen Ent­schei­dun­gen des 22. Senats beim OVG in Müns­ter, ver­lo­ren sein. Frag­wür­dig ist nur, war­um die juris­ti­sche Beur­tei­lung durch den Kreis Lip­pe so anders aus­fal­len konnte.«

Bemer­kens­wert dabei ist, so Han­sen, »dass jede Ent­schei­dung eines deut­schen Gerichts IM NAMEN DES VOLKES ergeht; so lau­ten immer die ein­lei­ten­den Wor­te. Das bedeu­tet doch auch, dass alle Ent­schei­dun­gen von deut­schen Gerich­ten im Sin­ne des Vol­kes und zum Wohl des Vol­kes erge­hen sollten.«

Im Fal­le der geplan­ten Wind­kraft­an­la­gen auf der Gau­se­kö­te han­de­le es sich aber ein­deu­tig um Wind­kraft­an­la­gen, die gegen den Wil­len des Vol­kes, gegen den Wil­len des Krei­ses Lip­pe, gegen die beschlos­se­nen Bestim­mun­gen des Lan­des und Bun­des errich­tet wer­den sol­len. Es sei dem OVG im Zeit­punkt der Ent­schei­dungs­fin­dung sicher­lich klar gewe­sen, dass die Rechts­la­ge sich dies­be­züg­lich kurz­fris­tig ändern wird und zwar, weil der ein­deu­ti­ge Wunsch des Sou­ve­rän so aus­sieht, dass kei­ne Wind­kraft­an­la­gen unse­ren Wald zer­stö­ren sollen.

Han­sen fragt: »Ist die­se Tat­sa­che in der Abwä­gung des OVG berück­sich­tigt wor­den? Ist auch die ins­ge­samt ver­wor­re­ne Geneh­mi­gungs­la­ge, wenn es um den Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gien geht, berück­sich­tigt wor­den? Ich kann mir ein­fach nicht vor­stel­len, dass das OVG in die­ser Ent­schei­dung kei­nen Ermes­senspiel­raum hatte.«

Bild­lich gespro­chen ist sei so, »als ob ab dem 1. Mai die Todes­stra­fe abge­setzt ist, aber am 30. April noch zehn Todes­ur­tei­le voll­streckt wer­den, weil die Rechts­la­ge es bis 24.00 Uhr her­gibt. Empörend.«

Fürstenhaus verrät seine Werte, seine Traditionen, seine Vorfahren 

Empört und ent­täuscht zeigt sich der Abge­ord­ne­te auch über das Fürs­ten­haus, das stets sein Tra­di­ti­ons­be­wusst­sein beto­ne, aber bezüg­lich der Ver­pach­tung sei­ner Län­de­rei­en im Zwei­fels­fall dem Geld den Vor­zug vor Tra­di­ti­on gebe. Han­sen: »Damit ver­rät das Fürs­ten­haus sei­ne Wer­te, sei­ne Tra­di­ti­on und sei­ne Vorfahren.«

»Letzt­end­lich ver­lie­ren aber alle«, urteilt Han­sen. In ers­ter Linie die Natur mit ihren wert­vol­len Tier- und Pflan­zen­ar­ten in dem Gebiet. »Wir ver­lie­ren die Schön­heit unse­rer Land­schaft, wir beschä­di­gen eine auf­ge­bau­te Mar­ke „Im Land des Her­mann“, das Fürs­ten­haus sein Anse­hen und alle Men­schen auch das Ver­trau­en und den Glau­ben an Recht, Gerech­tig­keit und Jus­tiz.[1]Wind­kraft im Wald geht gar nicht – wo auch immer

Behörden im Panikmodus

Fest­zu­hal­ten ist zunächst ein­mal: Die neu­er­li­che Wen­de in der Hal­tung des Krei­ses Lip­pe beruht nicht auf einer Ent­schei­dung des OVG Müns­ter. Es wur­de ledig­lich ein Fin­ger­zeig gege­ben, wie der Senat wohl ent­schei­den wür­de, wenn er zu ent­schei­den hät­te. In einem ande­ren Fall (s. PDF unten) hat­te das Gericht gera­de erst das Ver­fah­ren zwar ein­ge­stellt, die Kos­ten des von West­fa­len­Wind ange­streng­ten Ver­fah­rens aber dem Kreis Lip­pe auf­ge­bür­det. Da brach auf dem Hid­de­ser Berg anschei­nend Panik aus.

Aus blan­ker Furcht vor einer Nie­der­la­ge und dar­aus mög­li­cher­wei­se fol­gen­den Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen hat der Kreis Lip­pe – sicher in Abspra­che mit der Bezirks­re­gie­rung – vor­sorg­lich die Segel gestri­chen und die höchst umstrit­te­nen Indus­trie­wind­an­la­gen doch geneh­migt.

Die Hal­tung des OVG Müns­ter mag selt­sam und kri­tik­wür­dig erschei­nen, aber in der Sache hat sich das Gericht inhalt­lich gar nicht geäu­ßert. Es ging aus­schließ­lich um die Abläu­fe in den Geneh­mi­gungs­be­hör­den. Der gan­ze Ablauf von Ver­fah­ren in Sachen Wind­kraft spricht für ein lupen­rei­nes, chao­ti­sches Behör­den­ver­sa­gen.

Anstatt den Schwanz gleich ein­zu­zie­hen, hät­te man auch Rück­grat zei­gen, das Risi­ko in Kauf neh­men und sich durch die Instan­zen ver­kla­gen las­sen kön­nen. Ist eigent­lich geprüft wor­den, ob jemals eine ähn­li­che Scha­den­er­satz­kla­ge an irgend­ei­nem Gericht erfolg­reich war?

Oder hat da viel­leicht ein wind­kraft­be­sof­fe­ner SPD-Bür­ger­meis­ter zuguns­ten der EEG-Abzo­cker steu­ernd ein­ge­grif­fen? Könn­te ja sein.

Bleibt eigent­lich nur die Fra­ge: Wohin zieht die Adler­war­te Ber­le­beck um? Und wann? In Det­mold ist sie ja offen­sicht­lich nicht mehr erwünscht. (Der Pivit)

»Es ist uner­träg­lich, dass Fehl­ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den, die mas­siv getrie­ben sind von geld­gie­ri­gen Inves­to­ren und Men­schen, denen allei­ne die Pro­fit­gier wich­tig ist. Und die­ses alles unter dem fal­schen Deck­man­tel, etwas für die Ener­gie­wen­de zu tun und der schein­hei­li­gen Begrün­dung, dass es kei­ne ande­ren Wege gäbe«, lau­tet das Urteil Hansens.

Die­se Schlacht schei­ne ver­lo­ren zu sein. Es blei­be den­noch abzu­war­ten, was wei­ter pas­siert. »Es bleibt ein­fach nur zu hof­fen, dass die zahl­rei­chen Eigen­tü­mer von Grund­stü­cken, die es noch braucht, um Tras­sen zu bau­en, damit man den erzeug­ten Strom zu der erfor­der­li­chen Infra­struk­tur lei­ten kann, sich besin­nen und ihr Eigen­tum für die­sen Wahn­sinn nicht her­ge­ben, sich nicht kau­fen lassen.«

Unge­wöhn­lich deut­lich macht Han­sen sei­nem Ärger Luft: »Es ist trau­rig, aber wir alle wer­den in der Zukunft die­se schreck­li­che Fehl­ent­schei­dung nicht nur sehen, son­dern auch haut­nah spü­ren. Die­se Wind­kraft­an­la­gen wer­den den Bei­na­men ‚Mahn­ma­le der Geld­gier’ tra­gen und uns jeden Tag dar­an erin­nern, dass man­che Men­schen lie­ber heu­te das Geld ein­ste­cken, als die Natur für kom­men­de Gene­ra­tio­nen zu bewahren.«

Abschlie­ßend erklärt der CDU-Poli­ti­ker: »Sei­en Sie sich sicher, dass es immer recht­schaf­fe­ne Men­schen geben wird, die Miss­stän­de auf­zei­gen, anfech­ten, nicht auf­ge­ben und allen Betei­lig­ten, die die­sen Irr­sinn über­haupt ermög­li­chen, den Spie­gel der Fehl­ent­schei­dun­gen vor­hal­ten werden.«

Einstellungsbeschluss_begl

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