
Die sogenannte vorläufige Einigung für Nahost – mir macht sie erhebliche Bauchschmerzen. Natürlich ist es gut, wenn die (wenigen) überlebenden Geiseln nach Hause kommen. Natürlich ist es gut, wenn Gaza und andere Orte nicht länger beschossen und bombardiert werden. Dennoch bin ich extrem misstrauisch, was eine dauerhafte »Lösung« angeht. Dass der Krieg vorbei ist, glaube ich erst, wenn ich es sehe. Und dann wären da ja auch noch ein paar klitzekleine Problemchen zu beseitigen.
Keinem der Beteiligten ist zu trauen – Donald Trump nicht, Benjamin Netanyahu und seinen radikalen Zionisten in Israels Regierung nicht, der Hamas nicht, der mit ihr verfeindeten korrupten Fatah nicht, den von Menschenrechts-Gedöns unbeleckten Katarern nicht, den Ägyptern nicht, der Türkei nicht. Alle verfolgen ihre eigenen Interessen. Und nichts davon ist uneigennützig oder humanistisch motiviert.
Dass sich ausgerechnet der US-Präsident, der sein Land gerade nach faschistischem Muster umbaut, nach außen als Friedensengel gibt, muss doch jedem klar vor Augen führen, dass es ihm nicht um Frieden oder Menschenrechte geht. Das glaube ich keine Sekunde. Der weiß gar nicht, was das ist.

Wie immer geht es ihm und seine kleptokratischen Mischpoke einzig und allein um Geschäfte und persönliche/familiäre Bereicherung.[1]Jared Kushner says Gaza’s ‘waterfront property could be very valuable’ Ob er mit seiner »Zollpolitik« Börsenkurse profitabel manipuliert,[2]Trump kündigt zusätzliche 100-Prozent-Zölle auf alle chinesischen Waren an langjährige Speichellecker mit lukrativen Regierungsposten belohnt, rohstoffreiche Länder und strategisch bedeutsame fremde Landstriche zu annektieren droht oder eben wie jetzt Staaten oder umkämpfte Gebiete samt der dort lebenden bzw. sterbenden Menschen auf der Karte umherschiebt nach Belieben. Widerlich.[3]Klein-Donald und wie er die Welt sieht
“It’s a little bit of an unfortunate situation there, but from Israel’s perspective I would do my best to move the people out and then clean it up.”
Trumps Schwiegersohn Jared Kushner
Niemals hat der Krämer im Weißen Haus seinen Traum von einer »Riviera des Nahen Ostens« aufgegeben. Dass ausgerechnet Jared Kushner,[4]Wer ist Jared Kushner? der Mann von Trumps Tochter Ivanka, und der »Sonderermittler« Steve Witkoff[5]Win-Win-Witkoff – beide aus der Immobilienbranche – nun für Trump »verhandelt« haben, ist kein Zufall. Wo wir verängstigte und traumatisierte Männer, Frauen und Kinder sehen, sieht die Trump-Clique nur künftige Taxifahrer, Kellner, Zimmermädchen und Liftboys. Bloß gut, dass Trump-Freund und »Investmentbanker« Jeffrey Epstein da nicht mehr mitmischen kann. Aber der hätte da sicher auch noch Vorschläge.
Dass es nicht nur vor Israels Küste (Leviathan- bzw. Tamar-Feld), sondern auch vor der des Gazastreifens teils ergiebige Gasvorkommen gibt, sollte man ruhig auch mal erwähnen, wenn es um die Ergründung möglicher Motive geht.[6]Das Gas vor Gazas Küste
Falls Donald Trump tatsächlich Netanyahu unter Druck gesetzt haben sollte – wie wir glauben sollen -, dann hat der sich dem nur gebeugt – wie wir glauben sollen -, weil er etwas davon hat. Ich gehe fest davon aus, dass der Deal für den »Bibi« vorteilhafte Absprachen und Nebenabreden enthält, über die nur niemand spricht.
Carte Blanche für Netanyahu und die Siedler in der Westbank?
Wenn ich einen Tipp abgeben soll: Es geht natürlich, wie immer, um Waffen aller Art für laufende und kommende Kriege; es geht um das Mitverdienen am Wiederaufbau (lukrativen Umbau) des zerbombten Gazastreifens, den andere bezahlen werden[7]Deutschlands Außenminister Johann Wadephul wirbt schon für unsere Beteiligung.; es geht nach meiner unmaßgeblichen Meinung aber auch darum, dass Trump den Israelis freie Hand für die sogenannte Siedlungspolitik in der Westbank gegeben hat – nach dem Motto: Du hilfst mir, den Friedensnobelpreis zu bekommen und sorgst für den Rückenwind deiner Peergroup, und ich sehe weg, wenn du dir noch brutaler, schneller, rücksichtsloser nimmst, was du und deine Freunde »Samaria und Judäa« nennen.
Das ist nicht nur ein Name, sondern formuliert einen biblisch legitimierten Besitzanspruch. Andere sprechen von Westbank bzw. Westjordanland. Oder einfach ihrer Heimat. Dass das Westjordanland in dem Wischi-Waschi-»Plan« nicht mal vorkommt, ist ganz sicher kein Zufall.
Impressionen aus Israel und der Westbank
Die Grundstruktur des Konflikts hat sich in den Jahrzehnten seit der Nakba ja nicht verändert, wohl aber wird er verschärft ausgetragen. Wer je Sperranlagen, Grenzbefestigungen, Kontrollposten, die nach internationalem und auch nach israelischem Recht illegalen Siedlungen im Golan, im Westjordanland und im Osten Jerusalems oder die Folgen des Sechs-Tage-Kriegs[8]Das geteilte Dorf gesehen hat, konnte verstehen, dass nichts davon provisorisch war, sondern angelegt für die Ewigkeit. Für Netanyahu und dessen rechtsextremistische Mehrheitsbeschaffer bietet sich genau jetzt die einmalige Gelegenheit, ihre Pläne schnell, effektiv, endgültig und ohne Einmischung der USA umzusetzen.
Ob es nur zu einer Pause in der Vernichtung und Vertreibung der Bewohner des Gazastrips kommt oder zu einer dauerhaften »Lösung« von Gnaden eines größenwahnsinnigen Immobilien-Tycoons aus den gespaltenen Staaten von Amerika – Annexion und ethnische Säuberungen werden weitergehen auf die eine oder andere Weise.

Und wer glaubt, dass die blutrünstige Hamas wirklich ihre Waffen niederlegt, ihre Depots räumt und den Kampf gegen den verhassten Judenstaat einstellt, der ist ein Träumer. Mag sein, sie hält eine Weile still und macht dann einfach weiter, oder es spaltet sich eine Gruppe ab, die es tut. Und wenn sie auch alle verbliebenen Geiseln übergeben sollten, so wissen sie doch: Geiseln lassen sich jederzeit neue beschaffen. Oder sie verlegen sich wieder auf Bomben und Terrorattacken innerhalb Israels.
Die Leidtragenden werden auch weiterhin die Menschen sein, die einfach nur einen friedlichen Ort zum Leben für sich und ihre Familien wollen. Ob sie nun Israelis oder Palästinenser sind. Wobei schon diese Zuschreibungen problematisch sind, weil ein nicht unerheblicher Teil der Israelis Palästinenser oder Angehörige anderer Minderheiten sind.
Ich fürchte, hier läuft ein ganz schäbiges, zynisches Spiel mit Hoffnungen und Ängsten von Millionen Menschen. Wer vor diesem Hintergrund ernsthaft erwägt, Trump mit dem Friedensnobelpreis zu adeln, hat den Schuss nicht gehört. Das darf niemals geschehen.[9]Übrigens war schon der erste FNP an einen US-Präsidenten eine furchtbare und völlig sinnlose Schnapsidee.
Profiteur des Krieges
Und was speziell Herr Netanyahu angeht, so darf man wohl mit Fug und Recht sagen: Er ist ein politischer Kriegsgewinnler. Und dann gibt es da noch die eine oder andere offene Frage zu privaten Verquickungen. Staatsanwälte werfen ihm »Korruption im Amt« vor. Dazu gibt es eine lohnende Dokumentation – Sendetermin: 13. Oktober 2025, 3sat, 22.29 Uhr.

Infos zur Sendung
"Die Akte Netanjahu" gibt exklusive Einblicke in den Netanjahu-Prozess: Die Doku zeigt geleakte Videos der zentralen Belastungszeugen. Als erster amtierender Ministerpräsident Israels steht Benjamin Netanjahu vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Korruption im Amt vor, der Prozess begann 2020. Erstmals zeigt dieser Dokumentarfilm von Regisseurin Alexis Bloom und Oscar-Preisträger Alex Gibney als Produzent die Verhörvideos von Netanjahu, auf denen die Anklage basiert. Sie wurden den Filmemachern zugespielt. Aussagen von ehemaligen Freunden und Wegbegleitern vervollständigen das Porträt eines Mannes, der mit allen Mitteln an der Macht bleiben will, dafür 2022 sogar ein Bündnis mit der extremen Rechten eingegangen ist. "Die Akte Netanjahu" beleuchtet das Korruptionsverfahren gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu - mit bislang unveröffentlichten Verhörvideos der wichtigsten Belastungszeugen. Die Dokumentation zeigt exklusiv, wie eng politische Macht, Medien und Justiz in Israel verwoben sind. Ein investigativer Film über Einfluss, Intrigen und die Frage: Bröckelt Netanjahus Macht durch die Aussagen aus dem Innersten seines Systems?
Anmerkungen
| ↑1 | Jared Kushner says Gaza’s ‘waterfront property could be very valuable’ |
|---|---|
| ↑2 | Trump kündigt zusätzliche 100-Prozent-Zölle auf alle chinesischen Waren an |
| ↑3 | Klein-Donald und wie er die Welt sieht |
| ↑4 | Wer ist Jared Kushner? |
| ↑5 | Win-Win-Witkoff |
| ↑6 | Das Gas vor Gazas Küste |
| ↑7 | Deutschlands Außenminister Johann Wadephul wirbt schon für unsere Beteiligung. |
| ↑8 | Das geteilte Dorf |
| ↑9 | Übrigens war schon der erste FNP an einen US-Präsidenten eine furchtbare und völlig sinnlose Schnapsidee. |































Gib den ersten Kommentar ab