Geht ja gut los: Politik zum Abgewöhnen

Die vier von der Geld-Tank­stel­le. Vor dem Hin­ter­grund der anste­hen­den Entscheidungen.

Mit wel­cher Bru­ta­li­tät da ein paar weni­ge Leu­te dem gan­zen Land über­stül­pen, was sie im Hin­ter­zim­mer aus­ge­kun­gelt habe, ist schon eini­ger­ma­ßen erschre­ckend. »Wha­te­ver it takes« – das soll wohl Hand­lungs­fä­hig­keit bewei­sen, hat aber schwe­re Risi­ken und Neben­wir­kun­gen. Und die Ansa­ge des Oppo­si­ti­ons­füh­rers von der CDU/CSU »Wir fan­gen erst an« klingt wie eine Dro­hung – zumal sie auch noch eins zu eins vom Ver­rä­ter Donald Trump geklaut ist. Es ist wohl auch eine.

Nicht nur das düpier­te Wahl­volk hat zu fres­sen, was ihm vor­ge­setzt wird, son­dern auch die ver­blie­be­nen Frak­tio­nen des alten Bun­des­ta­ges. Grüne/FDP oder einer davon sol­len die Zwei-Drit­tel-Mehr­heit sichern, die es für die Grund­ge­setz­än­de­rung auf den letz­ten Metern der Restam­pel braucht – übri­gens spä­ter auch im Bun­des­rat. Es fühlt sich an, als sei die Altam­pel Scholz­scher Prä­gung wie­der da. Gran­dio­ser Murks im Hau­ruck­ver­fah­ren. Ken­nen wir schon. Nur, dass es hier um epo­cha­le Fra­gen geht. Klei­nig­kei­ten wie Krieg und Frie­den etwa. Und »Der übt ja noch« ist nicht eben ein gutes Argument.

Das gan­ze Ver­fah­ren lässt auch Wohl­mei­nen­de rat­los zurück. Dass es mil­li­ar­den­schwe­re Inves­ti­tio­nen in die­sem jahr­zehn­te­lang ver­kohl­ten, zugrunde­pri­va­ti­sier­ten und von Mer­kel sedier­ten Land braucht – unbe­strit­ten. Dass die Lan­des­ver­tei­di­gung über Jahr­zehn­te sträf­lich her­un­ter­ge­wirt­schaf­tet wur­de – inklu­si­ve der Aus­set­zung der Wehr­pflicht unter einem Uni­ons­mi­nis­ter (!) – und das geän­dert wer­den muss – unbe­strit­ten. Nur: Das ist alles lan­ge bekannt. Kein Grund, jetzt mit kopf­lo­sem, plan­lo­sem Aktio­nis­mus zu reagie­ren. Da haben die Agie­ren­den aller­dings eine gewis­se Kompetenz.

Es ist also nicht so sehr das Was ein Pro­blem, aber sehr wohl das Wie.

Woher nimmt Merz seine Legitimation?

Das geht schon damit los, dass man sich fragt: Mit wel­chem Man­dat trat der Sau­er­län­der eigent­lich ges­tern abend vor die Pres­se? Wer hat ihn legi­ti­miert? Ist er schon zum Kanz­ler gewählt? Habe ich da was nicht mit­be­kom­men? Und haben wir mit Saskia Esken etwa schon die kom­men­de stell­ver­tre­ten­de Regie­rungs­chefin erlebt? Schreck, lass nach..!! Da sei der SPD-Par­tei­tag vor. Reicht es ihr nicht, mit Lars Kling­beil und Kevin Küh­nert die Sozis in den Abgrund – oder, wie Rolf Müt­zenich sagen wür­de: vor das Tor zur Höl­le – geführt zu haben? Hat sie noch Grö­ße­res vor? Sieht so aus.[1]Küh­nerts Werk und Eskens Bei­trag

Noch nicht lan­ge her, da wur­de das Wahl­recht mani­pu­liert. Mit sehr merk­wür­di­gen Fol­gen für die Zusam­men­set­zung des Bun­des­tags ins­be­son­de­re für Kan­di­da­ten, die ihre Wahl­krei­se direkt geholt hat­ten – aber leer aus­gin­gen. Jetzt dre­hen hier die mit Schma­ckes abge­wähl­ten Sozis und der desi­gnier­te, aber noch nicht gewähl­te CDU-Kanz­ler mit sei­ner nicht eben beein­dru­cken­den Zahl an Sit­zen einen sol­chen Stunt und schrau­ben gleich ohne Umschwei­fe direkt am Grund­ge­setz rum. Weil sie das neue, gera­de erst gewähl­te Par­la­ment fürch­ten wie der Teu­fel das Weih­was­ser. Und las­sen den Respekt vor dem wirk­li­chen Sou­ve­rän, dem Wäh­ler, übers Kling­beil sprin­gen. Und der Söder? Ja mei, der war halt ada­bei. Wie immer, wenn’s was zu ver­tei­len gibt. Geld, Macht, Aufmerksamkeit …

Angst vor dem gewählten Parlament

Das stinkt doch zum Him­mel. Es drängt sich der Ein­druck auf, dass in die­sem Land eini­ges grund­sätz­lich ins Rut­schen kommt. Und dass es aktu­ell aus­ge­rech­net die AfD ist, die vor dem Bruch demo­kra­ti­scher Regeln war­nen muss, hat gewis­sen Unter­hal­tungs­wert und darf einem über­dies auch zu den­ken geben.

Dass zur glei­chen Zeit in Brüs­sel die eben­falls nur mäßig demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin ver­bal mit gepump­ten Hun­der­ten Mil­li­ar­den EUR für Rüs­tung um sich schmeißt, passt ins Bild. Der EU-Ver­ein mit Flin­ten-Uschi an der Spit­ze kommt einem mehr und mehr wie eine roya­le, inzes­tuö­se Cli­que vor. Und Hin­ter­zim­mer für Kun­gel­run­den scheint es in der Stadt der Paläs­te auch reich­lich zu geben. Fin­de den Fehler.

Es hat kei­ne 14 Tage gedau­ert, da hat der Möch­te­gern-Kanz­ler von der CDU/CSU ein zen­tra­les Wahl­ver­spre­chen gebro­chen und sich von den Wahl­ver­lie­rern über den Tisch zie­hen las­sen. Der kann es halt nicht. Wäh­ler­ver­ar­sche auf Speed. Dabei war es eines der weni­gen ver­nünf­ti­gen Ver­spre­chen, die Schul­den­brem­se eben nicht anzu­tas­ten, und auf ech­te Refor­men zu set­zen. Nun heißt es bald wie­der: Hau raus die Koh­le! Lass doch die Enkel und Uren­kel zahlen …

Hat der Uni­ons­mann etwa im Stil­len sein sozi­al­de­mo­kra­tisch-grü­nes Herz ent­deckt? Da ging das auch so. Es kommt der Tag, da wird man sich (einen wie) Lind­ner ins Kabi­nett zurückwünschen.

Dar­über wird noch zu reden sein. Es nimmt nicht wun­der, dass die ers­te Kri­tik an der Uni­on 2.0 aus­ge­rech­net von der par­tei­ei­ge­nen Jun­gen Uni­on kommt. Viel­leicht wachen die Jusos und die grü­ne Jugend ja auch noch auf. Dar­auf wet­ten wür­de ich aber nicht. »Weg mit der Schul­den­brem­se« ist ja auch lan­ge deren Man­tra. Nur hat­ten sie da mög­li­cher­wei­se nicht in ers­ter Linie Kampf­flug­zeu­ge, Pan­zer und Artil­le­rie­mu­ni­ti­on im Sinn, son­dern sozia­le Anlie­gen und die För­de­rung mög­lichst vie­ler par­tei­na­her Herz-Jesu-Ver­ei­ne. Pech gehabt.

Die Auf­nah­me neu­er Schul­den wird aber unse­re Pro­ble­me nicht lösen. Ledig­lich für die schnel­le Stär­kung der Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit brau­chen wir kurz­fris­tig mehr Spielräume.

Wirt­schafts­wei­se Vero­ni­ka Grimm

Und wer schon die poli­ti­schen Argu­men­te gegen die­sen aber­wit­zi­gen Stunt mit leich­ter Hand vom Tisch wischt, soll­te viel­leicht wenigs­tens die sach­li­chen ver­ste­hen. Wur­de nicht andau­ernd die Wirt­schafts­kom­pe­tenz des Kanz­ler­kan­di­da­ten betont? Ist ihm die irgend­wo abhan­den gekom­men? Kann auch sein, die war nur gefühlt. Mit fast zwei Metern müss­te er eigent­lich Über­blick haben. Aber lang ist eben nicht das­sel­be wie groß. Grö­ße hat man oder eben nicht.

Mit Wen­de­hals Merz begibt sich Deutsch­land wie­der auf den Weg zum Staat auf Pump, wird sich in Bäl­de bei den Rating­agen­tu­ren mühe­los einen unrühm­li­chen Platz mit sei­ner gigan­ti­schen Schul­den­quo­te erobern. Neben­bei sen­den Merz/Esken/Klingbeil/Söder auch noch ein fata­les Signal an ande­re Staa­ten Euro­pas aus, das (s.o.) gera­de einen mons­trö­sen Schul­den­schirm aufspannt.

Die Zah­len spren­gen alles bis­her Dage­we­se­ne: Uni­on und SPD wol­len den Ver­schul­dungs­spiel­raum des Bun­des in den kom­men­den zehn Jah­ren um mehr als eine Bil­li­on Euro aus­deh­nen. Das ist eine eins mit zwölf Nul­len. Zum Ver­gleich: Die aktu­el­le Ver­schul­dung der öffent­li­chen Haus­hal­te in Deutsch­land liegt bei rund 2,5 Bil­lio­nen Euro – auf­ge­baut in 76 Jah­ren.[2]Kann Deutsch­land neue Schul­den in Bil­lio­nen­hö­he über­haupt ver­kraf­ten?

Was die ange­streb­te Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit – Boris Pis­to­li­us: Kriegs­fä­hig­keit – angeht, braucht es noch etwas ganz ande­res als Hard­ware. Und das kann man nicht im ein­schlä­gi­gen Han­del kau­fen. Dafür müss­te sich der herr­schen­de Zeit­geist schon sehr ändern. »Bir­ne« wür­de gesagt haben – Ach­tung, hin­set­zen, jetzt kommt’s dicke: Es bräuch­te eine geis­tig-mora­li­sche Wende.

Sehe ich nicht.

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