
Journalismus früher: Sagen, was ist.
Journalismus heute: Sagen, was irgendeiner sagt.
Ich habe endgültig die Schnauze voll vom Deutschlandfunk – insbesondere davon, was man dort allzu oft unter »Nachrichten« versteht. Vor zwei Tagen wurde ich schon zum Frühstück mal wieder von Roderich Kiesewetter malträtiert, der ganz frisch gefordert hatte, in Deutschland den Spannungsfall auszurufen – selbstredend »bei uns im Deutschlandfunk«.
Hatte der CDU-Hinterbänkler und Kommisskopp vom Dienst das Kanzleramt übernommen? Oder wenigstens Pistorius als V‑Minister verdrängt? Nein, nichts davon. Es hatte ihn nur schon wieder jemand vom DLF angerufen, um für die Morgen-»Nachrichten« irgendwas ranzuschaffen, dass irgendwie »exklusiv« klingt, irgendwie »wichtig«, irgendwie nach »muss man gehört oder gelesen haben«, irgendwie »Aktualität« atmet, irgendwie Aufregerpotential hat, irgendwie (nach DLF-Maßstäben) als journalistischer Arbeitsnachweis taugt. Da muss nur in der Agenturübersicht das Stichwort »Drohne« auftauchend, und schon hat einer den Hörer in der Hand, und bei Kiesewetter klingelt das Telefon. Kennt der schon. Macht der ja mehrmals im Monat.
Erst schleudert man diesen Schwachsinn im eigenen Radio im »Interview« unters Volk, dann natürlich im eigenen (oft genug gruselig zusammengekloppten) Netzauftritt, und dann käut die »Nachrichten«-Redaktion den Bullshit stündlich den ganzen Tag lang wieder. So, als wäre irgendwas passiert. Als gäbe es eine richtige Nachricht. Das ist dort nicht die Ausnahme – etwa im Sommerloch -, das ist dort Prinzip.
Und wenn es ganz toll läuft in der sogenannten Nachrichtenarbeit à la 2025 greift noch irgendein öffentlich-rechtliches Bruder‑, Schwester- oder Schwippschwagermedium die atemberaubende Topmeldung auf und verbreitet sie unter Hinweise auf diese beinharte DLF-Recherche weiter. Trendet. Bingo!
Mich befällt da spontanes Fremdschämen.
Das machen die übrigens nicht nur permanent mit Kiesewetter, der da wahrscheinlich schon einen eigenen Schreibtisch hat, sondern auch noch mit einem halben Dutzend anderen WiedergängerInnen – je nach Thema. Immer dieselben EckensteherInnen und angeblichen ExpertInnen mit ihrem immer gleichen Geschwätz. Höre ich das Thema, ahne ich schon, wer gleich zugeschaltet wird. So ideenlos und so anstrengungsbefreit und so dämlich lässt sich nachweislich mühelos jede Menge Sendezeit füllen. Und das ist doch, worum es Journalisten gehen sollte. Dafür bezahlen wir sie doch. Oder nicht?
Ich habe im Küchenradio und am PC jedenfalls nun einen Programmplatz frei. Ist gut so. Auch wenn es mir um ein paar Sendungen leidtut, die gar nichts mit diesen simulierten Nachrichten zu tun haben. Ein bisschen Schwund ist immer. Kiesewetter würde sagen: Kollateralschaden.
Andererseits erspart mir das auch seltsame Intonation, viel Tofu-Deutsch und schwer zu ertragende Stimmlagen mancher ModeratorInnen. Erinnert sich eigentlich noch jemand, was das Wort »Radiostimme« bedeutet?
Ironie am Rande: Genau jetzt höre ich »Texte, Töne, Bilder« mit Anja Backhaus auf WDR 5. Es geht um die Frage, warum das Vertrauen in den Journalismus seit Jahren so rapide schwindet.[1]Am Rande: Dass juste eben diese Sendung läuft, ist reiner Zufall. Ich finde nichts so öde und ermüdend wie »Medienjournalismus«. Ich kenne keine anderen Branche, die sich so ausgiebig und laut und … Weiterlesen …
Naja, ich habe da so eine Ahnung.
Anmerkungen
| ↑1 | Am Rande: Dass juste eben diese Sendung läuft, ist reiner Zufall. Ich finde nichts so öde und ermüdend wie »Medienjournalismus«. Ich kenne keine anderen Branche, die sich so ausgiebig und laut und penetrant vor Publikum mit sich selbst beschäftigt. Aber wieder gilt: Füllt Sendezeit. Auch im WDR. |
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