Dass die Redaktionen nicht weniger Medien hierzulande von Aktivisten aller Couleur unterwandert sind, weiß man – oder ahnt es zumindest. Nicht immer ist es allerdings so einfach, die symbiotische Beziehung von angeblich unabhängigen »Journalisten« und Lobbyisten nachzuweisen wie bei diesem »Interview« im Deutschlandfunk.
Da darf sich Patrick Graichen, Direktor des »Think Tank Agora Energiewende«, lang und breit ausweinen, dass es mit dem Ausbau der Windenergie nicht vorangeht. Unterstützt von seinem servilen Stichwortgeber Niklas Potthoff bekommt er ausgiebig Raum, um seine Propaganda zu verbreiten. Kleine Gefälligkeit…
So kann Graichen unwidersprochen beispielsweise länglich über die Gründlichkeit von Genehmigungsverfahren für neue Industriewindanlagen lamentieren, bevor Potthoff eilfertig sekundiert: »Aber warum hakt es da? Warum wird das so zögerlich behandelt?«
Graichen erläuft mühelos und lächelnd den zugespielten Ball und hetzt hemmungslos gegen Windkraftgegner, vor denen »alle« jetzt »Angst haben« und die »sehr organisiert jetzt durch die Lande ziehen« und mit »sehr professionellem Rechtsbeistand da eine Klage nach der anderen über neue Genehmigungen erteilen (sic!)«.
Dann versteigt sich Graichen noch zu der Behauptung, die deutschen Genehmigungsbehörden seien durch diese Krawallbrüder (meine Formulierung) regelrecht »eingeschüchtert«.
Wer da in der Energiewende tatsächlich wen einschüchtert, kann man zum Beispiel hier nachlesen.
Unfassbar, wie da ein deutscher Beamter – dazu später mehr – das von der Verfassung verbriefte Recht von Bundesbürgern bewertet, sich gegen staatliche oder private Planungen zur Wehr zu setzen. Und ein sogenannter Journalist lässt ihm diese Unverschämtheiten durchgehen, ohne – wenigstens! – nachzufragen.
Ja, und das »Problem Naturschutz«. Da hat der in der Wolle energetisch-grün gefärbte Graichen eine dezidierte Meinung: »Das wird von vielen Windkraftgegnern natürlich auch benutzt, das Argument.« Subtext: Was für eine perfide Impertinenz von diesen Energiewendeverhinderern…
Graichen schreckt nicht mal vor absurden Verschwörungstheorien zurück, ohne dass Herr Potthoff eingreift. »Das sind welche, die eigentlich gegen die Energiewende sind, aber dann den Rotmilan vorschieben.«[1]Und den Mäusebussard, den Seeadler, die Fledermäuse und nicht zuletzt Milliarden von Insekten…
Woher weiß Graichen das? Sind das persönliche Erkenntnisse? Ich nehme an, das kann er alles mühelos belegen!? Fragen über Fragen. Fragen, die eigentlich Herr Potthoff hätte stellen *müssen*.
Sicher wissen wir hingegen sehr genau, dass Windkraft-Profiteure gerne mal missliebige Vögel von potentiellen Industriewindanlagen-Standorten vergrämen und vertreiben oder deren Horste zerstören.
Laut Herrn Graichen müssen die Rotmilane nur noch lernen, um die Industriewindanlagen herumzufliegen, wie man dem »Interview« entnehmen kann. Graichen: »Ist das hier jetzt ein Windrad, das hinpasst, und im Rest der Fläche des Landes nicht, so dass der Rotmilan im Rest der Landesfläche seinen Platz bekommt und rundum den Windräder der Vorrang für den Klimaschutz gilt. Diese Abwägung, die haben wir bisher nicht so richtig im Gesetz.«
Was der Mann unter »Abwägung« versteht, kann ich mir lebhaft vorstellen.
Gleiches gilt für die »Leitlinien« – noch so eine Worthülse aus dem Repertoire von Graichen. Er verlangt »Leitlinien für die Auslegung des Naturschutzrechts im Kontext von Windkraftanlagen, die bundesweit verbindlich gemacht werden.«
Ich übersetze das mal: Es geht nicht an, dass jedes Bundesland macht, was es will. Wir Grüne in Berlin möchten endlich energiepolitisch radikal durchregieren können. Wenn uns da der Föderalismus im Weg steht, werden wir das Hindernis aus dem Weg räumen. Da nehmen wir keine Rücksicht auf irgendwelche Provinzfürsten.
Sollten die Grünen politisch weiter Einfluss gewinnen, lässt sich denken, wie der Zubau von Windkraft – Graichen träumt von mindestens 1.300 Anlagen pro Jahr – befördert werden wird. Soviel immerhin lässt sich den Worten Graichens entnehmen: »Es gibt Bayern, die konkret gesagt haben, wir machen jetzt hohe Abstandsregelungen von Windrädern. Das kann man ändern. Das gleiche gilt für Nordrhein-Westfalen, das gleiche gilt jetzt hier für Brandenburg.« Und dann: »Das ist eine politische Regelung.«
Im Klartext meint Graichen: Das werden wir nach der Machtergreifung sofort ändern…
Graichen sieht das Problem als lediglich administratives Hindernis, das es auszuräumen gilt.[2]Wenn er sich da mal nicht vertut… Die Kommunen, die er dazu braucht, will er einfach kaufen. »Aber ich (sic!) brauche eine sehr aktive Bundesregierung, die jetzt in diesem Jahr an das Thema Erneuerbare-Energien-Gesetz herangeht, die für mehr Akzeptanz für Windräder sorgt, indem man zum Beispiel eine kommunale Windabgabe macht, damit die Kommunen Geld davon haben, indem man Bürgerenergie-Windparks fördert und indem wir beim Thema Naturschutz und Klimaschutz bundesweite Leitlinien bekommen.« [3]Wie diese »Leitlinien« aussehen sollen, davon habe ich eine recht konkrete Vorstellung…
Und sein Stichwortanreicher Potthoff sagt dazu – genau – gar nichts.
Mission accomplished.
So, nun aber noch ein paar Worte zu Herrn Graichen und Agora Energiewende. Diese Lobbyisten (Brüssel/Berlin) [4]»Agora Energiewende will den Boden bereiten, damit in den kommenden Jahren in Deutschland die richtigen energiepolitischen Weichenstellungen erfolgen. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht daher … Weiterlesen …werden aus den Mitteln einer Stiftung bezahlt.
Nach Eigenangaben verfügt Agora Energiewende für den Zeitraum 2012 bis 2017 über ein stiftungsfinanziertes Kernbudget von rund 14 Millionen Euro. Für den Zeitraum von 2017 bis 2021 stehen hier 15 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kommen Drittmittel zur Finanzierung einzelner Projekte.[5]FAQ
Hinter Agora Energiewende stehen die [wiki base=»DE«]Stiftung Mercator[/wiki] und die [wiki base=»DE«]European Climate Foundation (ECF)[/wiki]. Rechtlich ist sie laut Wikipedia ein Geschäftsbereich der gemeinnützigen Smart Energy for Europe Plattform (SEFEP) GmbH. Deren Gesellschafter sind die Stiftung Mercator mit Sitz in Essen sowie die European Climate Foundation mit Sitz in Den Haag.
Graichen ist eigentlich Staatsbediensteter, Beamter. Er ist lediglich beurlaubt und hat ein Recht auf Rückkehr in den Staatsdienst.
Ich bin anscheinend nicht der einzige, dem die Omnipräsenz dieses mächtigen Vereins höchst suspekt ist.
Bei den Bundestagsdrucksachen finden sich zwei aufschlussreiche Dokumente. Eine Anfrage der FDP von April 2018 – da geht es um Geldmittel, handelnde Personen, sachliche und personelle Verknüpfungen zwischen Regierung und der Agora Energiewende – und die recht schmallippige Antwort der Bundesregierung darauf.
Nichts davon erfährt man (natürlich) beim Deutschlandfunk.
Die sind so dicke miteinander, dass ihnen das nicht mal mehr auffällt. Das geht schon seit Jahren so. [6]Hunderte Fundstellen Graichen+DLF im Netz; allein 35 auf der Sender-Homepage selbst. Hat der da schon einen eigenen Schreibtisch?
Mit Journalismus hat das nichts zu tun. Das ist schamlose Kumpanei.
Anmerkungen
↑1 | Und den Mäusebussard, den Seeadler, die Fledermäuse und nicht zuletzt Milliarden von Insekten… |
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↑2 | Wenn er sich da mal nicht vertut… |
↑3 | Wie diese »Leitlinien« aussehen sollen, davon habe ich eine recht konkrete Vorstellung… |
↑4 | »Agora Energiewende will den Boden bereiten, damit in den kommenden Jahren in Deutschland die richtigen energiepolitischen Weichenstellungen erfolgen. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht daher der Dialog mit wichtigen energiepolitischen Akteuren darüber, wie die zentralen Ziele der Energiewende erreicht werden können. |
↑5 | FAQ |
↑6 | Hunderte Fundstellen Graichen+DLF im Netz; allein 35 auf der Sender-Homepage selbst. Hat der da schon einen eigenen Schreibtisch? |