Ja, in Afghanistan haben so ziemlich alle Hoffnungen getrogen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einige davon werden in diesem DW-Beitrag benannt. Aber nicht alle.
Als ich das Foto sah, dachte ich sofort: Die kenne ich doch … Und tatsächlich, auf mein Gedächtnis ist Verlass. Ich habe Dunja Neukam im Juni 2002 in Camp Warehouse in Kabul vor der Linse gehabt. Da war sie – ihr erster Einsatz in Afghanistan – aber noch etwas jünger.[1]Ich selbstredend auch. 😉 Auf jeden Fall ist es gut zu erfahren, dass sie (körperlich) unversehrt von ihren vier »tours of duty« heimgekehrt ist.[2]Ich kenne genug Männer, die dafür nicht die Eier hätten.
Meines Erachtens gibt es weitere Gründe, warum der Einsatz insgesamt als gescheitert bewertet werden muss. Zum einen war zwar 2001 das Schreckensregime der Taliban beendet worden, und das Land – insbesondere die Hauptstadt Kabul – atmete auf. Aber Afghanistan in Gänze war nie wirklich befriedet.
Im Einsatzgebiet der Bundeswehr war es 2002 vergleichsweise ruhig und auch die Nordallianz hatte die Lage ganz ohne ISAF selbst im Griff, aber je weiter es nach Süden und Osten ging, desto unruhiger wurde es. Amerikaner und auch Briten kämpften und bombten die ganze Zeit – noch in Kabul konnte man das hören – und haben die Tribal Area an der Grenze zu Pakistan niemals beherrscht. Unter anderem auch, weil Pakistan daran kein Interesse hatte.
Das bedeutet: Bundeswehr als Brunnen‑, Schul- und Brückenbauer im Nordwesten und ein nach wie vor blutiger Krieg mit allen Mitteln unter US-Führung im großen Rest des Landes mit ganz anderer Zielsetzung – das konnte auf Dauer nicht funktionieren. Hat es auch nicht.
Es ist meines Erachtens auch kein Zufall, dass die Lage sich ausgerechnet 2003 massiv verschlechterte. Wir erinnern uns: Der zweite Golfkrieg wurde von den USA begonnen. Deutschland hielt sich da zwar raus, bekam aber ebenfalls die Folgen zu spüren. Dieser mit Lügen und Propaganda herbeigeführte Waffengang gegen Irak zum Sturz von Saddam Hussein hatte meines Erachtens auch sehr negative Auswirkungen auf den Komplex AfPak. Und die halten, nicht nur dort natürlich, bis heute an.
Heute wissen natürlich Hinz und Kunz, dass alle Ziele »zu ehrgeizig« und die Erwartungen »überhöht« waren und man aus dem Lauf der Dinge lernen müsse. Nur was genau?
In manchen Situationen kann man sich nicht wegducken. Mit dem Petersberg-Prozess hatte Deutschland früh Verantwortung übernommen. Das hatte unter anderem auch historische Gründe. Und das muss man schon ernstnehmen. Urteile in der Rückschau sind immer billig und wohlfeil.
Natürlich stellt sich die Frage, ob es die Mühen und Opfer wert war. Ich denke, auch in Würdigung der Gesamtlage damals kurz nach 9⁄11: Ja, man musste es versuchen. Aber letztlich, mit dem Wissen von heute, können das nur diejenigen beurteilen, die die Last getragen haben – die Veteranen und deren Familien.