Eigentlich fände ich es ganz charmant, wenn Redaktionen sich etwas genauer ansehen würden, wen sie da als »Experten« anzapfen. Klar, geile Zeile und so. Popularity. Klicks. Verstehe ich alles.
Aber wenn es um Prognosen geht, was die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine angeht (und die Folgen solcher Maßnahmen), wäre mir doch bedeutend wohler, wenn da nicht einfach Hinz und Kunz komplett folgenlos drauf los schwadronieren und die Allgemeinheit beeinflussen dürften.
Und noch ein, zwei Sätze zu dem aktuell gängigen SPD-Bashing – gern vom sicheren Kai des Mainstreams aus. Ich bin ja nun ganz gewiss unverdächtig, den Kanzler aka Mr. Chance zu schonen. Aber was Scholz da gerade erdulden muss – meist in Zusammenhang mit dem Thema oben -, das hat er nun wirklich nicht verdient. Wenn man schon die verbal inkontinente Strack-Zimmermann von der FDP als Kronzeugin bemühen muss, dann bewegt man sich auf extrem dünnem Eis. Müsste man eigentlich merken.
Noch peinlicher sind nur Leute wie der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff – allein bei dem Namen kriege ich seit 1983 stets heftigen Würgreiz -, der seine gelebte Liberalität und Toleranz damit belegt, dass er Ostermarschierer als fünfte Kolonne Putins diffamiert.
Geht’s noch? Am Wahltag in NRW werden wir uns an Pöbel-Alex erinnern. Ganz sicher.
Natürlich weiß auch ich, dass Stimmen, die zur Mäßigung mahnen, im Moment nicht gerade Hochkonjunktur haben. Notwendig sind sie trotzdem. Immer schön die Nerven behalten!
Um noch ein Reizwort für die allfällige Schnappatmung von Sozihassern zu liefern: Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand den Gerhard Schröder als »Zauderer« beschimpft hätte, als er Deutschland aus dem Irakkrieg II heraushielt.
Ich wäre mir auch nicht zu schade, ein gutes Wort für Frau Schwesig einzulegen. Das mit der Pipeline North Stream II ist eine komplexe Angelegenheit, in der auch Grüne, gelinde gesagt, keine besonders rühmliche Rolle spielen, gerade wenn man sich ansieht, was derzeit die Nachrichten beherrscht. Außerdem: Ganz offensichtlich ist das angestrengte Bemühen namentlich der Grünen, Schwesig zu schlachten, eine Retourkutsche für die erzwungene Demission der überforderten Familienministerin Spiegel. Billig. Ist nicht so schwer zu verstehen.
Und was die von Merz gekaperte CDU da gerade treibt, ist noch leichter zu durchschauen. Gestartet als Scholz-Versteher mit vorauseilend erklärter Nibelungentreue, [1]s. Scholz’ Aufrüstungsrede und Merz’ Replik muss Merz nun leider doch die Rolle als Oppositionsführer ausfüllen, damit seine teils schwer havarierte Partei bei den anstehenden Landtagswahlen nicht völlig absäuft. Der übt noch. Souveränität, die fällt ihm halt schwer, dem Sauerländer. Staatsmann geht anders.
Der Blick für das große Ganze ist seine Sache nicht. Merz ist und bleibt halt der Bierdeckel-Fritze.
Anmerkungen
↑1 | s. Scholz’ Aufrüstungsrede und Merz’ Replik |
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